Warum wir öffentlich reden müssen

Mit vielen habe ich in den letzten Wochen über das „Netzwerk Bibel und Bekenntnis“  gesprochen. Oft hörte ich: „Ich stimme dir in der Sache zu, aber warum trägst du einen solchen Konflikt in die Öffentlichkeit? Könnt ihr euch nicht im persönlichen Gespräch einigen? Wir geben mit solchen Streitereien doch in der Gesellschaft nur ein schlechtes Bild ab.“

Meine Antwort: Es geht nicht um Meinungsverschiedenheiten auf Grund von Missverständnissen, die man im persönlichen Gespräch klären könnte. Persönliche Gespräche und auch Beratungen in Gruppen haben in respektvoller Atmosphäre stattgefunden. Um welche Meinungsverschiedenheiten geht es denn? Und sind sie die öffentliche Auseinandersetzung wert?

Kern der Kontroverse

Die öffentliche Debatte entzündete sich an der Frage, welche Rolle Christen, die gleichgeschlechtliche Partnerschaften offen leben, in  Gemeinden und Gemeinschaften einnehmen. Können und sollen sie Mitglieder und Mitarbeiter sein oder nicht? Dahinter stehen die Fragen, ob die Bibel Gottes Wort und gültiger Maßstab für Leben und Glauben der Christen ist und wie wir uns zu unterschiedlichen Bibelverständnissen und Bibelauslegungen verhalten sollen und wollen.

Die Kontroverse um die Autorität der Bibel läuft schon lange. Aus Anlass des bevorstehenden Reformationsjubiläums hat nun aber der Rat der EKD einen Grundlagentext herausgegeben, in dem zu lesen ist: „Seit dem siebzehnten Jahrhundert werden die biblischen Texte historisch-kritisch erforscht. Deshalb können sie nicht mehr so wie zur Zeit der Reformatoren als »Wort Gottes« verstanden werden. Die Reformatoren waren ja grundsätzlich davon ausgegangen, dass die biblischen Texte wirklich von Gott selbst gegeben waren. Angesichts von unterschiedlichen Versionen eines Textabschnitts oder der Entdeckung verschiedener Textschichten lässt sich diese Vorstellung so nicht mehr halten. Damit aber ergibt sich die Frage, ob, wie und warum sola scriptura auch heute gelten kann.“ (Rechtfertigung und Freiheit, 500 Jahre Reformation 2017, Ein Grundlagentext des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, 2014, S.83f)

Das ist neu. Gegensätzliche Meinungen von Theologen zum Bibelverständnis gab es zwar schon 250 Jahre lang, nun aber wird der kirchenamtliche Versuch gemacht, die Autorität der Bibel als Gottes Wort offiziell abzuschaffen. Die Folgen werden sofort sichtbar.

Randthema oder Wahrheitsfrage?

Wenn die Bibel nicht Offenbarung Gottes ist, ist Jesus Christus auch nicht der einzige Retter für alle Menschen. Auch das lesen wir in dem EKD-Grundlagentext: „So wie ich meine Überzeugung  für wahr halte, hat der andere das Recht, seine Überzeugung für wahr zu halten, und umgekehrt. Die Herausforderung besteht darin, von Christus zu sprechen, aber so, dass dabei nicht der Glaube des anderen abgewertet oder für unwahr erklärt wird. So wie für den Christen das Gehören zu Christus der einzige Trost im Leben und im Sterben ist, so ja auch für den Anhänger der anderen Religion sein spezifischer Glaube. Dies darf auf beiden Seiten des Gespräches anerkannt werden.“ (S. 58)

Diese Aussagen sind seit 2014 öffentlich. Warum gibt es keinen öffentlichen Widerspruch dagegen? Es geht doch um die Wahrheit des Evangeliums von Jesus Christus. Ich bedauere sehr, dass es angesichts der Demontage der Grundlagen des christlichen Glaubens keinen Aufstand gibt. Erst beim Thema Homosexualität fliegen dann leider die Fetzen.

Da behaupten manche Verantwortliche im evangelikalen Bereich nun wieder, das sei doch  nur ein Randthema, dem man nicht zu viel Aufmerksamkeit widmen solle. Nach der biblischen Offenbarung gehört allerdings die Gottebenbildlichkeit des Menschen unmittelbar zur Selbstoffenbarung des Schöpfers. Und zu dieser geoffenbarten Gottebenbildlichkeit des Menschen gehört die Polarität und Gemeinschaft von Mann und Frau. (1.Mose 1,27; Matthäus 19,4-6) Es geht also in dieser Kontroverse um die Wahrheit der biblischen Offenbarung.

Das ist natürlich unangenehm, weil die Einführung der Homo-Ehe gerade ein gesellschaftspolitisches Kampfthema ist, dem interessierte Gruppen höchste Priorität geben. Wir haben es gar nicht in der Hand, ob die praktizierte Homosexualität thematisiert wird oder nicht. Die politische Agenda bestimmen andere. Dass aber einige evangelische Landeskirchen gleichgeschlechtliche Partnerschaften durch kirchliche Trauung bereits der Ehe gleichstellen, bevor der Bundestag die völlige Gleichstellung beschlossen hat, ist ein trauriges Beispiel von speichelleckerischer Anpassung der evangelischen Kirchen an gesellschaftliche Trends.

Was ist unsere Aufgabe heute?

Ich habe kaum Hoffnung, dass die Kirchenleitungen der meisten evangelischen Kirchen sich von ihrem falschen Weg abbringen lassen. Aber in vielen Gemeinden wird das Wort Gottes treu und mit großer Liebe verkündigt und gelebt. Viele Pastoren reden und arbeiten ihrem Ordinationsgelübde entsprechend mit großer Hingabe. Sie leiden unter den Entscheidungen ihrer Kirchenleitungen. Nicht wenige stehen ziemlich allein. Viele Christen sind eingeschüchtert oder verunsichert. Da helfen keine diplomatischen Verhandlungen hinter verschlossenen Türen. Öffentliche Stellungnahmen, biblische Lehre in jeder Form und auf allen Kanälen, die uns zur Verfügung stehen, können Orientierung und Rückhalt geben.

Dafür steht das Netzwerk Bibel und Bekenntnis. Ich weiß nicht, ob wir wirklich helfen können. Aber alle, die sich unserm Netzwerk anschließen, geben damit ein Signal, dass wir nicht resignieren. Wir vertrauen gegen alle verführerischen und zerstörerischen Trends dem Herrn Jesus Christus, der gesagt hat: „Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte werden nicht vergehen.“ (Matthäus 24,35)

Wer schweigt, fördert, was im Gange ist. Bitte, lasst uns wirklich aufstehen, widerstehen und die Wahrheit des Wortes Gottes bezeugen!

 

Ulrich Parzany