Dekalog: Das zehnte Gebot

Dr. Christian Schwark erklärt in dieser Artikelserie die 10 Gebote (nach reformierter Zählung). Diese Artikel sind bereits bei idea erschienen.
Der Artikel wird von einer Video-Predigt von Pfarrer Schwark ergänzt.

Alle Texte dieser Serie können auch als Hardcover Buch im Lichtzeichenverlag bestellt werden.

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Das zehnte Gebot: Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Rind, Esel noch alles, was dein Nächster hat (2. Mose 20,17)

Ich las von einem interessanten Experiment: Man stellte Menschen vor die Wahl: Arbeiten sie lieber für 100.000 Euro bei einer Firma, in der alle anderen Kollegen 130.000 Euro erhalten, oder aber für 80.000 Euro bei einem Unternehmen, in der alle anderen 60.000 bekommen? Da geht es um viel Geld. Nur wenige verdienen so viel. Aber interessant ist die Frage nach dem Verhältnis. Ergebnis des Experiments: Der größere Teil der Befragten war für die zweite Möglichkeit, obwohl sie dadurch faktisch weniger Geld bekommen. Offensichtlich kommt es nicht zuerst darauf an, wie viel einer hat. Sondern darauf, ob man mehr hat als andere. Daraus kann man nur schließen: Neid ist bei uns weit verbreitet.

Bevor wir uns dieses Gebot näher anschauen, noch ein kleine Anmerkung: Mancher hat vielleicht gelernt, dass dieses Gebot eigentlich zwei Gebote sind. Das neunte, wo es um das Haus geht, und das zehnte mit den anderen Dingen. Martin Luther (1483-1546) hat in seiner Auslegung der 10 Gebote das zweite Gebot weggelassen. Er war der Meinung, das beträfe nur die Götzenstatuen des Altertums und sei außerdem in dem Fremdgötterverbot inbegriffen. Damit es dann wieder 10 Gebote sind, hat er aus dem letzten Gebot zwei gemacht. Wir bleiben hier bei der biblischen Zählung. Darum schauen wir uns das Gebot als ein Gebot an.

Man könnte argumentieren: Neid ist doch nicht so schlimm. Bei den Geboten, die Eltern zu ehren, nicht zu töten, nicht die Ehe zu brechen, nicht zu stehlen und nicht zu lügen, da wird immer jemand geschädigt, wenn man das Gebot nicht hält. Wenn einer neidisch ist, schadet das doch niemandem. Das findet doch nur in Gedanken statt. Das ist zwar richtig. Aber unsere Gedanken prägen uns. Unsere Gedanken prägen unsere Gefühle. Und unsere Gedanken prägen unser Handeln. Wir sahen ja auch bei denen anderen Geboten, dass es da nicht nur um äußere Dinge geht. Sondern immer auch um unser Herz. Und das sind eben auch die Gedanken. So ist auch das Gebot, nicht zu begehren, was ein anderer hat, sehr wichtig. Wer neidisch ist, ist unzufrieden. Und Unzufriedenheit macht krank. Wer immer meint, zu kurz zu kommen, geht irgendwann innerlich kaputt. Dann ist alles schlecht, nichts ist gut genug. Da kommt es dann gar nicht mehr darauf an, wie viel einer hat. Sondern nur darauf, dass es noch mehr sein könnte. Ich hörte mal von einem Multimillionär, der ganz geknickt war. Was war der Grund? Er hatte eine Luxusjacht, die 37 Meter lang ist. 37 Meter. Für mich wäre es schon ein riesiger Luxus, überhaupt eine Jacht zu besitzen. Auch wenn die nur zehn Meter lang wäre. Bei ihm waren es 37 Meter. Aber er war todunglücklich. Weil einer seiner Kollegen im Jachthafen sich eine neue Jacht zugelegt hatte. Die war 39 Meter lang. Seine Jacht war nicht mehr die längste. Was für ein Unglück! Das erscheint uns lächerlich. Aber ich frage: Denken wir auf niedrigerem Niveau auch manchmal so? Sind wir neidisch auf andere und machen uns selbst unglücklich? Letztlich ist Neid auch ein Misstrauen Gott gegenüber. Denn wir sagen damit indirekt: „Gott, du gibt uns nicht genug. Bei dir kommen wir zu kurz. Wir glauben nicht daran, dass du uns wirklich alles gibst, was wir brachen. Und wir vertrauen auch nicht darauf, dass du uns in Zukunft nicht im Stich lässt.“

Neid wird noch in einer anderen Richtung zerstörerisch. Neid zerstört auch die Beziehung zu anderen Menschen. Könnten Sie sich vorstellen, mit jemanden eng befreundet zu sein, auf den Sie neidisch sind? Wohl kaum. Gute Freunde gönnen sich auch etwas. Sie freuen sich, wenn es dem anderen gut geht. Wer anderen Menschen nichts gönnt, kann letztlich keine Freunde haben. Oder muss sich immer mit Leuten umgeben, denn es schlechter geht als ihm selbst. Aber das ist dann auch keine richtige Freundschaft. Wir sehen: Neid ist keine Nebensache. Neid wirkt zerstörerisch. Neid zerstört die Beziehung zu Gott. Und die Beziehung zu anderen Menschen. Wie gut, dass Gottes Wort uns eindeutig davor warnt. Und uns Mut macht, anderen wirklich etwas zu gönnen.

Das Gebot lautet „Du sollst nicht begehren“. Gemeint ist also nicht, dass mir auffällt, wenn andere etwas haben, was ich nicht habe. Es ist auch nicht schlimm, einen Wunsch zu haben und zu überlegen: Könnte ich mir dieses oder jenes einmal gönnen? Schwierig wird es, wenn ich anfange zu fragen: Warum habe ich das nicht? Oder: Ist das nicht ungerecht, dass der mehr hat als ich? Dahinter steckt die Vorraussetzung: Alle müssen das Gleiche haben. Es ist ungerecht, wenn einer mehr hat als ein anderer. Natürlich ist es gut, wenn nicht wenige ganz viel besitzen und viele ganz wenig. Als Christ werde ich immer mit andern teilen. Aber das heißt nicht zwangsläufig, dass alle das Gleiche haben müssen. Das wollen wir doch gar nicht. Ich nehme mal ein Beispiel: Mir ist es relativ egal, was für ein Auto ich fahre. Anderes ist mir viel wichtiger. Ich wohne z.B. gerne in Waldnähe. Für mich wäre es eine Strafe, wenn mir jemand sagt: „Du kannst jetzt einen Mercedes oder BMW fahren, aber du wohnst in Zukunft irgendwo an einer lauten Straße in der Innenstadt.“ Ich hätte also gar nicht viel von einem teuren Auto. Ich fahre eh lieber mit dem Bus oder mit dem Zug. Also: Es wäre Quatsch zu sagen: „Alle müssen das gleiche Auto fahren und den gleichen Wohnort haben.“ Abgesehen davon, dass das gar nicht geht, jeder hat andere Schwerpunkte. Und jeder hat auch andere Gaben. Mancher hat z.B. die Gabe mit weniger auszukommen als andere. Und schließlich: Jeder hat eine andere Lebenssituation. Der eine hat viel Geld, ist aber dafür krank. Wem geht es nun besser? Neidisch zu sein bedeutet: Nicht zu sehen, was ich habe. Sondern sich auf das zu konzentrieren, was ich nicht habe und was der andere hat. Das ist falsches Begehren.

In unserem Gebot werden uns dazu verschiedene Beispiele genannt. Da ist zunächst das Haus. Es kann den Neid auf das Haus des Nachbarn geben. Oder auch seinen Garten. Das Haus kann aber auch im übertragenen Sinne verstanden werden. Der Begriff „Haus“ kann in der Bibel auch so viel wie „Sippe“ oder „Familie“ bedeuten. Man kann auch auf die Familie eines anderen neidisch sein. Z.B. auf Kinder, die erfolgreicher sind. Oder die öfter zu Besuch kommen. Oder sie sich besser verstehen. Man kann sogar darauf neidisch sein, dass Kinder von anderen gläubig sind, die eigenen Kinder aber nicht. Natürlich kann man auch auf Eltern, Geschwister oder sonstige Familienmitglieder neidisch sein. Gucken wir weiter: Das Zweite, was uns genannt wird, ist die Frau. Das geht zuerst an die Männer. Aber wir können das auch in die umgekehrte Richtung übertragen. Vielleicht wird hier die Frau erwähnt, weil Männer es schwerer haben, nicht auf andere Frauen aus zu sein als Frauen auf Männer. Die Frau eines anderen kann hübscher, jünger, freundlicher oder sonst etwas sein. Sie kann Kinder bekommen, während die eigene Frau das vielleicht nicht kann. Der Neid kann auch der Anfang eines Ehebruchs werden. Dann werden Knechte und Mägde genannt. Die gibt es bei uns glücklicherweise nicht mehr. Aber wir können das z.B. auf einen Unternehmer übertragen, der einen anderen wegen guter Mitarbeiter beneidet. Auch wenn die Mitarbeiter hoffentlich nicht wie Knechte oder Mägde behandelt werden. Viele Knechte und Mägde zu haben, das bedeutete damals, einen hohen Status zu genießen. Auch das kann bei uns heute zu Neid führen. Dass ich z.B. neidisch bin auf einen, der ein besonderes Ansehen hat. Der im Internet mehr Likes oder mehr Follower hat. Oder auch in der Gemeinde: der, der in der Gemeinde mehr zu sagen hat. Der sich besser durchsetzen kann. Der besonders beliebt ist. Wie viele Möglichkeiten, neidisch zu sein! Und schließlich haben wir noch die Tiere. Rind und Esel werden hier erwähnt. Diese beiden Tiere hatten in der bäuerlichen Landwirtschaft eine besondere Bedeutung. Das Rind steht für die Nutztiere und der Esel für die Haustiere. Rind und Esel sind hier stellvertretend für den Besitz eines Menschen genannt. Dazu passt, dass in dem Gebot danach kommt: „alles, was dein Nächster hat.“ Wir haben am Anfang schon das Gehalt erwähnt, das einer verdient. Es können auch Klamotten sein, die sich einer leistet. Das Auto, die teure Reise oder sonst etwas. Oder auch der schöne Körper, die noch vorhandenen Haare, die nicht schmerzenden Knie oder was auch immer.

Wir sehen: Neid kann es in ganz vielen Bereichen geben. Ich habe den Eindruck: In unserer Gesellschaft wird es immer wichtiger, etwas darzustellen. Mir sagte mal jemand, Instagram im Internet dient hauptsächlich der Selbstdarstellung. Da ist der Schritt zum Neid nicht weit.

Es reicht nicht einfach zu sagen. Wie böse! Wir sind neidisch. Sondern es ist auch wichtig zu fragen: Wie können wir denn davon frei werden? Zwei Tipps möchte ich geben: Zunächst: Sei dankbar! Wir sprachen davon, dass Neid zu Unzufriedenheit führt. Das gleiche kann aber auch umgekehrt funktionieren. Wenn einer zufrieden ist, ist er nicht neidisch. Ich habe Menschen erlebt, denen es äußerlich ganz schlecht ging. Die aber innerlich froh und zufrieden waren. Wie heißt es so schön in einem alten Lied? „Froh zu sein bedarf es wenig und wer froh ist, ist ein König.“ Aber wie können wir zufriedener werden? Ein Schlüssel dazu ist, dankbar zu sein. Also nicht immer zu überlegen: Was fehlt mir? Sondern zu fragen: Wofür kann ich danken? Was schenkt Gott mir alles? Welche Menschen stellt er mir an die Seite? Und vor allem: Ich kann immer danken für seine Liebe. Dass er durch Jesus meine Schuld auf sich nimmt. Ich kann ihm alles bekennen. Ich kann auch sagen: „Verzeih mir, dass ich so oft neidisch bin.“ Dann nimmt er meine Schuld weg. Weil er sie ans Kreuz getragen hat. Dafür kann ich immer danken. Danken hilft uns zufrieden zu sein und nicht neidisch. „Aber das kann ich doch nicht erzwingen,“ sagt jetzt einer, „ich denke halt immer so viel an das, was mir noch fehlt.“ Natürlich ist das nicht leicht. Aber wir sind nicht Sklaven unserer Gedanken. Wir können uns vornehmen, uns auf bestimmte Dinge zu konzentrieren. Natürlich geht das nicht immer. Und schon gar nicht von heute auf morgen. Perfekt werden wir wohl nie werden. Ich ärgere mich auch, wenn ich z.B. eine Beule in mein Auto fahre und eine teure Werkstattrechnung bezahlen muss. Dann sage ich nicht als erstes: „Danke, Herr, dass nichts Schlimmeres passiert ist.“ Aber das wäre doch gut. Wenn wir mehr und mehr dahin kommen, das Positive in unserem Leben zu sehen und dafür zu danken. Dann werden wir auch zufriedener sein. Und weniger neidisch. Vielleicht können wir uns dann sogar mitfreuen mit anderen, die mehr haben als wir. Und außerdem: Wenn wir neidisch sind, sehen wir meistens nur einen Ausschnitt. Wir sehen nicht, dass es dem anderen in einem oder anderen Bereich vielleicht viel schlechter geht als uns selbst. Wir können den Neid überwinden, indem wir aufhören uns mit anderen zu vergleichen. Und stattdessen dankbar zu sein, was wir haben.

Ein zweiter Tipp: Denk an dich selbst! Das hört sich erst einmal seltsam an für eine christliche Auslegung. Wir sollen doch nicht nur an uns selbst denken. Das ist natürlich richtig. Was meine ich damit? Wir schaden uns letztlich selbst, wenn wir neidisch sind. Wenn wir also seelisch gesund sein wollen, sollten wir uns vom Neid verabschieden. Das ist ein bisschen Trick mit Selbstüberlistung. Aber manchmal hilft es. Wir denken ja als Menschen zuerst an uns selbst. Machen wir es uns also klar: Es schadet uns selbst, wenn wir nur an uns selbst denken. Und wenn wir immer mehr haben wollen. Das hilft, von diesem Denken frei zu werden. Statt neidisch zu sein, können wir anderen gerne etwas gönnen. Dann kann der Neid bei uns seine zerstörerische Wirkung nicht entfalten.

Wir sind am Ende unserer Betrachtung der zehn Gebote angekommen. Ich wünsche Ihnen gute Erfahrungen im Leben mit Gottes Geboten! Seine Gebote helfen uns, dass das Leben gelingt. Und zeigen uns, dass wir Jesus und seine Vergebung brauchen. Mit ihm sind Sie auf einem guten Weg!