Dekalog: Das dritte Gebot

Dr. Christian Schwark erklärt in dieser Artikelserie die 10 Gebote (nach reformierter Zählung). Diese Artikel sind bereits bei idea erschienen.
Der Artikel wird von einer Video-Predigt von Pfarrer Schwark ergänzt.

Alle Texte dieser Serie können auch als Hardcover Buch im Lichtzeichenverlag bestellt werden.

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Das dritte Gebot: Du sollst den Namen des HERRN, deines Gottes, nicht missbrauchen, denn der HERR wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht. (2. Mose 20,7

Namen sind Schall und Rauch, sagt man manchmal. Ich kann das nicht so ganz bestätigen. Menschen fühlen sich ernst genommen, wenn man sie mit Namen anspricht. Und sind nicht selten beleidigt, wenn man den Namen vergisst oder verwechselt. Ich habe leider ein schlechtes Namensgedächtnis und bin da schon in manches Fettnäpfchen getappt. Der Name ist auch bei Gott nicht Schall und Rauch. Im Gegenteil: Der Name Gottes ist etwas ganz Besonderes. Wir haben schon beim ersten Gebot gesehen, dass Gott sich mit Namen vorstellt. Und dass er dadurch eine Beziehung möglich macht. Gott ist nicht nur ein Prinzip, eine Macht, ein höheres Wesen. Sondern Gott ist ein ganz konkretes Gegenüber. Das hat er uns durch Jesus deutlich gemacht. Durch Jesus ist Gott ein Mensch geworden, mit dem man reden kann. Und den man anfassen kann. Darum können wir auch sagen: Der Name Gottes ist „Jesus“. Durch Jesus stellt sich Gott uns vor. Und wenn man sich vorstellt, sagt man ja oft zuerst den Namen. Wir können das auch ganz theologisch begründen: Im Alten Testament steht als Gottesname der Name „Jahwe“. Wir sahen schon, das heißt: „Ich bin da.“ Nun haben die Juden eine ganz besondere Ehrfurcht vor dem Namen Gottes gehabt. So dass sie sich nicht trauten, diesen Namen überhaupt auszusprechen. Darum haben sie überall da, wo im hebräischen Text der Gottesname steht, nicht „Jahwe“ gelesen, sondern „Adonai“. Das heißt schlicht und einfach: „Herr“. Darum steht in unseren Bibeln auch „HERR“ in Großbuchstaben. Das war für die Leute dann der Name Gottes. Schauen wir auf Jesus. Er wird im Neuen Testament auch als „Herr“ bezeichnet – also mit dem Gottesnamen. Jesus und der Gottesname, das ist somit letztlich das Gleiche.

Diesen Namen Gottes sollen wir nicht missachten. So sagt es uns das dritte Gebot. Wörtlich heißt es: „Du sollst den Namen des HERRN, deines Gottes, nicht missbrauchen, denn der HERR wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht.“ Wir sehen: Hier geht es nicht um eine Kleinigkeit. So wie ich immer auf Nachsicht hoffe, wenn ich einen Namen nicht mehr weiß. Wie wir mit dem Namen Gottes umgehen, das entscheidet mit darüber, ob wir im Gericht Gottes bestraft werden oder nicht. Mancher bekommt jetzt Angst und denkt: „Au Mann, dann habe ich ja eine schlimme Strafe verdient!“ Da ist es gut, dass auch in unserem Vers gleich zweimal der Gottesname HERR in Großbuchstaben vorkommt. Wir sahen, dass wir hier auch Jesus einsetzen können. Und das kann sehr befreiend sein. Denn wenn Jesus der ist, der uns richtet, haben wir noch eine Chance. Jesus ist ja auch der, der die Strafe selbst für uns übernommen hat. Am Kreuz. Auch die Strafe, die wir bekommen, wenn wir den Gottesnamen missbrauchen. Wir können ihm das alles ganz offen bekennen. Im Gebet. Dann können wir seinen Zuspruch hören: „Ich stehe mit meinem Namen dafür, dass ich dich liebe. Obwohl du mir oft nicht die Ehre gegeben hast. Und meinen Namen in den Dreck gezogen hast. Darum bin ich für dich gestorben. Wenn du das annimmst, brauchst du keine Angst vor einer Strafe zu haben.“ Es tut gut diesen Zuspruch zu hören. Aber es wäre auch zu billig zu sagen: „Na wunderbar, wenn das so ist, brauchen wir uns über dieses Gebot und andere Gebote keine Gedanken mehr zu machen. Jesus ist ja eh für uns gestorben.“ Nein, gerade das, was Jesus für uns getan hat, soll uns ein Ansporn sein. Ein Ansporn, nach seinem Willen zu leben. Dann werden wir diesen Namen ehren. Weil er uns ganz besonders kostbar ist. Und wir werden diesen Namen nicht missbrauchen. Wie sieht das aus, den Namen Gottes zu missbrauchen?

Vieles geschieht gar nicht bewusst. Wir reden einfach so, wie es uns in den Sinn kommt. Manches ist gut und manches nicht. Auch wenn es um den Namen Gottes geht. Da sind z.B. Redewendungen wie „O Gott“. Wie geht es Ihnen? Denken Sie immer an Gott, wenn Sie sagen: „O Gott“? Und das ist noch nicht alles. Es ist ja nicht gerade ein Ausdruck der Freude, wenn ich sage: „O Gott“. Sondern das sagt man eher, wenn man sich über irgendetwas ärgert. Übertragen wir das einmal auf eine menschliche Beziehung. Stellen Sie sich vor, ich würde statt „O Gott“ den Namen meiner Frau nennen. Sie heißt Tina. Also statt „O Gott“ immer „O Tina“. Nehmen wir mal ein paar Situationen: Da habe ich den Bus verpasst und sage: „O Tina, jetzt komme ich zu spät!“ Da sagt mir der Arzt, dass ich schwer krank bin und ich sage: „O Tina, jetzt muss ich schon wieder ins Krankenhaus!“ Was glaubt ihr, wie würde sich meine Frau fühlen, wenn ich so von ihr reden würde? Es würde unserer Beziehung sicher nicht gerade gut tun. Genauso ist es auch bei der Beziehung zu Gott. Wir missbrauchen den Namen Gottes, wenn wir ihn einfach gedankenlos dahersagen. Und erst recht, wenn wir das besonders dann tun, wenn wir uns ärgern. Eine andere Redewendung ist z.B.: „Da hilft nur noch beten!“ Das sagen wir, wenn es ganz dick kommt. Die Frage ist: Beten wir dann wirklich? Oder wollen wir nur sagen: „Jetzt ist alles aus“? Wir leben in einer Gesellschaft, die sich immer weiter von dem christlichen Glauben entfernt. Und wo dann der Namen Gottes nicht mehr viel gilt. Als Christen können wir da ein Zeichen setzen. Und den Name Gottes ganz bewusst gebrauchen. Also statt „O Gott“ oder „Da hilft nur noch beten“ könnten wir sagen: „Ich bete dafür, dass Gott jetzt hilft.“ Und dann tatsächlich auch ein Gebet sprechen. Dann können wir erfahren, wie er eingreift. Nicht immer sofort. Und nicht immer so wie wir uns das wünschen. Aber ein Gebet ist nie umsonst. Wir sehen: Wenn wir den Namen Gottes bewusst gebrauchen, freut sich nicht nur Gott darüber. Sondern es ist auch für uns gut. Denn dann erinnern wir uns neu daran, dass wir mit ihm eine Beziehung haben können. Z.B. durch das Gebet. Ich finde das immer wieder faszinierend, wie Gott uns durch seine Gebote hilft. Wie er uns hilft, dass wir mit ihm leben und im Leben klarkommen. Und das tut er auch durch das Gebot: Du sollt den Namen Gottes nicht missbrauchen.

Es gibt noch eine andere Form des geistlichen Missbrauchs. Das ist, wenn ich den Namen Gottes missbrauche für meine eigenen Interessen. Das kommt auch in Gemeinden vor. Da wird z.B. über irgendeine Frage scharf diskutiert. Etwa über die Kindertaufe. Da sagt der eine: „Kindertaufe geht gar nicht! Das will Gott nicht!“ Und führt gleich ein paar Bibelstellen dazu an. Ein anderer kontert: „Natürlich taufen wir Kinder. Gott liebt doch alle! Da können wir doch den Kindern die Taufe nicht verwehren.“ Natürlich könnte ich auch andere Beispiele nehmen. Die spannende Frage dabei ist: Geht es wirklich um diese Frage, über die diskutiert wird? Oder geht es unter der Hand um etwas ganz anderes? Geht es z.B. um Macht? Geht es um die Frage, wer in der Gemeinde das Sagen hat? Oder geht es um verletzte Eitelkeit? Dass einer nur deshalb so heftig diskutiert, weil der andere ihn irgendwann mal geärgert hat. Und er es ihm jetzt bewusst oder unbewusst heimzahlen will. Natürlich müssen wir in der Gemeinde auch über verschiedene Meinungen sprechen. Und dabei immer im Blick haben, was Gott dazu sagt in der Bibel. Aber wir sollten uns dabei immer kritisch fragen: Geht es mir wirklich um Gott, um seinen Namen, um seinen Willen? Oder geht es mir um etwas ganz anderes? Das Gleiche können wir auch fragen, wenn wir in der Gemeinde mitarbeiten. Natürlich freut sich Gott darüber, wenn wir das tun. Er braucht immer wieder neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Bei Gott gibt es sozusagen keine passiven Mitglieder. Sondern wer mit Jesus lebt, ist herausgefordert ihm zu dienen. Z.B. in der Gemeinde. Aber auch dabei kann es geistlichen Missbrauch des Namens Gottes geben. Dann wenn ich etwas tue, um selbst gut dazuzustehen, um vor mir selbst oder vor anderen den Eindruck zu erwecken: „Der ist aber toll.“ Dann missbrauche ich den Namen Gottes, um mich selbst darzustellen. Ganz wichtig ist bei diesem geistlichen Missbrauch eins: dass wir bei uns selbst anfangen. Also nicht den anderen etwas unterstellen. Sondern immer zuerst fragen:

Wie sieht es bei mir aus? Manchmal heißt es über andere Mitarbeiter: „Der will sich ja nur darstellen!“ Da frage ich: Ist es nicht auch ein Missbrauch des Namens Gottes, wenn ich so über andere richte? Also: Fangen wir bei uns selbst an! Die Gebote gelten immer zuerst für mich.

Schließlich gibt es noch den politischen Missbrauch des Namens Gottes. Es ist ungeheuerlich, was in der Geschichte im Namen der christlichen Kirche alles geschehen ist. Da wurden Menschen getötet, andere zwangsgetauft und Waffen gesegnet. Das ist auch ein Missbrauch des Namens Gottes. Wie kam es dazu? Das Problem fängt da an, wo man geistliches Leben und politische Macht miteinander verknüpft. Und durch politische Macht oder sogar durch Waffengewalt den Glauben erzwingen will. Das kann nur schief gehen. Denn das entspricht nicht dem, was Jesus will. Er hat in Johannes 18,36 gesagt: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von dieser Welt, meine Diener würden darum kämpfen.“ Also: Ein bewaffneter Kampf um den Glauben ist für Christen ausgeschlossen. Jetzt denkt vielleicht jemand: Das ist ja nicht unser Problem. Bei uns wird ja niemand zu irgendetwas gezwungen. Das ist natürlich richtig. Und dafür können wir sehr dankbar sein. Aber ich habe den Eindruck, dass es einen verdeckten politischen Missbrauch des Namens Gottes auch bei uns gibt. Nämlich da, wo man pauschal irgendwelche politische Aussagen mit Gott verknüpft, um dadurch der Sache mehr Autorität zu verleihen. Verstehen wir uns nicht falsch. Natürlich bin ich dankbar für christliche Politiker. Natürlich freue ich mich, wenn Politiker sich an christlichen Werten orientieren. Und natürlich müssen wir auch als Christen um gute politische Entscheidungen ringen. Das Problem ist nur: In der Bibel stehen zwar eindeutige Werte. Aber da steht nicht, wie das politisch umgesetzt werden kann. In der Bibel steht z.B. eindeutig, dass wir Menschen in Not helfen sollen. Auch denen, die fliehen müssen vor Krieg und Gewalt. Aber wie das politisch umgesetzt werden soll, das können wir nicht eindeutig aus der Bibel herleiten. Da muss in einer Demokratie, wo ja nicht alle Christen sind, auch überlegt werden: Welche Lösung ist am vernünftigsten? Was kann ein demokratischer Staat leisten und was nicht? Und da helfen pauschale christliche Forderungen oft nicht weiter.  Ich nehme mal bewusst einen Spruch aus der politisch rechten und einen aus der politisch linken Ecke. Die einen sagen: „Wir retten das christliche Abendland!“ Und andere: „Nächstenliebe kennt keine Obergrenze!“ Wer so etwas sagt, drückt damit aus: „Wenn du politisch anderer Meinung bist als ich, bist du eigentlich kein richtiger Christ mehr.“ Und die Gefahr besteht, dass man Gottes Namen oder das Christentum nur benutzt, um seine eigene Meinung besser durchzusetzen. Das kann es ja nicht sein. Hüten wir uns also vor einem politischen Missbrauch des Namens Gottes! Überlegen wir stattdessen miteinander, wie man christliche Werte in der Politik am besten umsetzen kann. Das Problem ist nämlich: Politischer Missbrauch des Namens Gottes spaltet die Gemeinde. Dann haben wir auf einmal die gleichen Gräben, die es in der Gesellschaft gibt, auch in der Gemeinde. Und wir denken bei Leuten, die anderer Meinung sind: Pfui! Wieder hilft uns das Gebot Gottes. Auch das Gebot, den Namen Gottes nicht zu missbrauchen. Es warnt uns davor, uns über die Dinge zu zerstreiten, die in der Bibel nicht eindeutig sind. Ob es nun um die Kindertaufe oder um einzelne politische Fragen geht. Schön, dass wir uns als ganz verschieden Menschen mit ganz unterschiedlichen Meinungen im Namen Gottes treffen können. Der Glaube an Jesus verbindet uns. So können wir auch durch unser Miteinander seinen Namen ehren. Darum geht es: dass der Name Gottes groß wird bei uns und in unserer Welt. Und wir selbst und andere immer wieder staunen können darüber, wie schön es ist, diesen Gott zu kennen und mit ihm zu leben.