„Hat das postevangelikale Brückenbauen Grenzen?“
Prof. Dr. Rolf Hille hat unter diesem Titel eine Besprechung des Buches „Menschen mit Mission. Eine Landkarte der evangelikalen Welt“ von Prof. Thorsten Dietz auf idea.de (18.5.22) veröffentlicht. Hille nennt das Buch von Dietz „eine Herausforderung wie auch ein Gesprächsangebot, auf das ich mich mit dem vorliegenden Beitrag einlassen möchte“.
Wir veröffentlichen hier eine etwas ausführlichere Fassung des Aufsatzes von Dr. Rolf Hille, die er unter dem Titel „Eine Landkarte in unwegsamem Gelände“ für unsere Internetseite geschrieben hat. Dr. Rolf Hille ist der stellvertretende Vorsitzende in der Fortsetzungsgruppe des Netzwerks Bibel und Bekenntnis. Hier ein Zitat aus Hilles Rezension:
„Dietz hat das evangelikale Gelände präzise vermessen. Er kennt das Land, in dem die Evangelikalen leben und weiß, was ihre Essentials sind. Der Definition des britischen Historikers David Bebbington bzgl. des Evangelikalismus stimmt Thorsten Dietz offensichtlich zu. So bejaht der Marburger Professor auch aus autobiografischer Sicht die Bekehrung als Fundament christlicher Existenz. In der Nachfolge Jesu sieht er sich als „Mensch mit Mission“. Diese Misso (Sendung) umfasst auch soziale Verantwortung. Auch das leidenschaftliche Bekenntnis zu Jesus als dem Herrn und Erlöser unterstreicht Dietz ohne Vorbehalt. Wo also ist die Grenze, an der er sein evangelikales Zuhause verlässt? Nun, Dietz sucht die Zeitgenossenschaft und den bruchlosen Anschluss an die Neuzeit. Er möchte als Vermittlungstheologe die gegenwärtige Kultur mit der christlichen Offenbarung versöhnen. Das kann jedoch nur gelingen, wenn er die Autorität der Bibel neu interpretiert, denn Biblizismus oder gar Fundamentalismus sind ihm, wie er nicht zu wiederholen müde wird, zuwider. Als moderner Theologe übt er souverän die Deutungshoheit über die Schrift aus. Wissenschaft, Aufklärung und modernes Lebensgefühl müssen mit dem ehrwürdigen Buch aus dem Alten Orient und der Antike so verknüpft werden, dass Zeitgenossen des 21. Jahrhunderts damit weder intellektuell noch emotional in Konflikt geraten. Damit ist vonseiten des Postevangelikalen Thorsten Dietz ein Bruch vollzogen und eine Grenze überschritten. Der von Dietz ausgemachte garstige Graben zwischen gegenwärtiger Kultur und Schriftbindung lässt sich nicht zuschütten. Das Überraschende besteht darin, dass der Autor für sich und seine Freunde bei ‚Worthaus‘ ungeachtet aller Schwierigkeiten Hindernisse zu überwinden beansprucht. Immer wieder bemüht er sich, an der möglichen Einheit von Evangelikalen und Liberalen festzuhalten. Bei aller Trennschärfe im Urteil fordert er dazu auf, Gemeinschaft zu leben, obwohl ihm die Widersprüche in der Hermeneutik, also dem Schriftverständnis, sehr wohl bewusst sind.“