„Ein Aktivist der homosexuellen Bewegung begegnet Jesus.“

So lautet der Untertitel des Buches von David Bennett, das 2021 auf Deutsch unter dem Titel „Liebe.Total.“ im Fontis-Verlag und bereits 2018 unter dem Titel „A War of Loves“ in den USA erschien.

Ich habe die gut 300 Seiten dieses Buches in zwei Tagen verschlungen und dann wiederholt gelesen. Die faszinierende Verbindung von autobiographischen Berichten und theologischen Reflektionen ist elektrisierend.

Bei Amazon liest man zu diesem Buch: „Mit vierzehn outet sich David Bennett vor seinen Eltern. Als schwuler junger Mann gilt der christliche Glaube ihm als Bedrohung aller Menschen, die der LGBTQ-Gemeinschaft angehören. Bennetts frühe Erfahrungen mit Homophobie bringen ihn dazu, ein Schwulenaktivist zu werden. Entschieden geht er seinen Weg, bis er mit neunzehn Jahren Jesus auf höchst unerwartete Weise begegnet. In diesem Moment veränderte sich sein Leben für immer … In ‚Liebe.Total.‘ erzählt David Bennett seine dramatische Geschichte: vom New-Age über die tiefe Auseinandersetzung mit dem französischen Existentialismus bis hin zum Leben als Aktivist in Studentenjahren.  Übernatürliche Begegnungen mit Gott bringen ihn dazu, eine Reise anzutreten, die nicht nur seinen Glauben und seine Sexualität miteinander zu versöhnen mag, sondern auch der Anfang einer höheren Berufung ist. David Bennett ist einer Liebe begegnet, die für ihn eine radikal neue und weitaus reichere Bedeutung hat als alles, was er bis dahin kannte. Seine Geschichte macht die verschwenderische, uneingeschränkte Gnade Gottes für alle Menschen transparent. Seine Freude an der Nachfolge und Intimität mit Jesus Christus sind inspirierend.“ https://www.amazon.de/Liebe-Total-Aktivist-homosexuellen-Bewegung/dp/3038482269

Der fontis-Verlag schreibt zur Person des Autors: „David Bennett kommt ursprünglich aus Australien (Sydney), wo er Journalismus und «Internationale Beziehungen» studierte. Er zog nach England, um Theologie an der Universität in Oxford zu studieren. Nach einem Master-Abschluss an der St. Andrews Universität in Schottland ist er nun dabei, seinen Doktor in Theologie (DPhil) in Oxford abzuschließen.“

Im Vorwort schreibt David Bennett: „Mein Gebet ist, das dieses Buch nicht nur als Materialquelle zum Thema Sexualität dienen wird, sondern auch zu der Frage, wie man Gottes Liebe kennenlernen und erfahren kann.“ (S. 18) „In diesem Buch geht es im Grunde nicht ums Schwulsein. Es geht darum, wie ich eine tiefere Identität in Jesus Christus gefunden habe und ein Kind Gottes geworden bin. Meine letztgültige Identität findet sich in Jesus Christus, aber die Wirklichkeit meiner gleichgeschlechtlichen Neigungen ist ein wichtiger Teil dieser Geschichte.“ (S. 20)

David Bennetts Geschichte ist für uns heute so wichtig, weil er alle Positionen vertreten hat, die heute in den Kirchen zur Befürwortung gleichgeschlechtlicher Beziehungen und deren Segnung vertreten werden. (z.B. „… dass der Apostel Paulus offensichtlich nichts von treuen, monogamen Beziehungen zwischen zwei Angehörigen desselben Geschlechts wusste“ S. 28)  Er gelangte zwischenzeitlich zu einer extremen Haltung: „Der christliche Glaube war eine schlechte Nachricht. Für jeden. Eine besonders schreckliche Nachricht war er für Homosexuelle. Für diesen grausamen imaginären Gott empfand ich keine Liebe, und das würde sich niemals ändern. Diesen Gott zu lieben, das wäre der äußerste Verrat an mir selbst gewesen. An diesem Abend, mit der aufgeschlagenen Bibel vor mir und einer lodernden Wut im Herzen, beschloss ich, mein Leben dafür einzusetzen, dem christlichen Glauben ein Ende zu machen.“ (S. 47) „Ich hielt den christlichen Gott für ein moralisches Ungeheuer, das in einem Akt göttlicher Kindesmisshandlung den eigenen Sohn am Kreuz betraft hatte. Nun war er zu einer Waffe in der Hand der Homophoben geworden, die ihn dazu benutzten, die LGBTQI-Leute ihrer Rechte zu berauben.“ (S. 64)

Was von dieser radikalen Ablehnung mit tiefem Hass gegen die Bibel zu der Kehrtwendung und einem „unbändigen Hunger auf Gottes Wort“ (S. 107) führte, muss man in dem Buch selber lesen. Eine referierende kurze Wiedergabe würde den Erfahrungen und Erkenntnissen Bennetts nicht gerecht werden. Eine überraschende Erfahrung der Liebe Gottes durch Jesus Christus und den Heiligen Geist brachte eine radikale Wende. Es passierte im Gespräch mit einer Filmemacherin in einer Kneipe. Eine tiefe Erfahrung des Beschenktseins mit Gottes Gnade löste eine Lebensrevolution aus. Er musste später allerdings auch eine schmerzhafte Erfahrung machen: „Der Hass, der mir von meinen säkularen Freunden entgegenschlug, war heftiger als alles, was ich zuvor von Christen wegen meiner Homosexualität zu hören bekommen hatte.“ (S. 107)

Auch die geschilderten Erfahrungen mit den Unterschieden, ja Gegensätzen in den christlichen Gemeinden hinsichtlich Homosexualität sind entlarvend und erschütternd. Man schaut in einen großen Spiegel. Das Buch ist gerade darin hilfreich, dass es die Prozesse im Leben von David Bennett ausführlich in den kleinen Schritten berichtet, in denen sie geschahen. Die Frage, ob er sich als Christ und schwul bezeichnen soll oder ob er damit seiner gleichgeschlechtlichen Neigung eine zu starke Bedeutung für seine Identität zuschreibe, durchzieht das ganze Buch. Erst recht das Ringen um das richtige Verständnis der biblischen Aussagen und die Entwicklung hin zu der Entscheidung, enthaltsam zu leben.

26 Kapitel sind in 5 Teile gegliedert: Teil I: Die Suche, Teil II: Die Begegnung, Teil III: Das Ringen mit Gott: Sinn und Sexualität, Teil IV: Die neue Identität, Teil V: Gedanken über Homosexualität und Treue im Glauben. Zwei kurze Anhänge fassen wichtige Gesichtspunkte zusammen. „Anhang 1: Was ich darüber gelernt habe, was die Bibel wirklich über Homosexualität sagt.“ „Anhang 2: Nach Gott verlangen und Gott widerspiegeln: Die Herausforderungen.“

David Bennett übernimmt eine im angelsächsischen Bereich unter homosexuell empfindenden Christen seit den 2000-er Jahren gebräuchliche Unterscheidung verschiedener Sichten und „Seiten“.

Seite A: Steht im Widerspruch zur christlichen Tradition; bejaht eine schwule Identität und sieht das Ausleben der Sexualität in einer Ehe von Gleichgeschlechtlichen als vereinbar mit der christlichen Ethik.

Seite B: Bejaht die christliche Tradition, die das Ausleben der Sexualität in einer Ehe von Homosexuellen als falsch ansieht, integriert aber eine schwule Identität unter der Herrschaft Christi durch ein zölibatäres, enthaltsames Leben und andere Formen der Keuschheit.

Seite X: Gibt an, keine gleichgeschlechtlichen Neigungen mehr zu empfinden, ‚ex-gay‘ zu sein oder im Zuge der Heiligung befreit worden zu sein.

Seite Y: Stimmt mit Seite B überein, identifiziert sich aber nicht als LGBTQI; zieht es vor, sich nicht als schwul zu identifizieren, sondern verwendet eher den Ausdruck ‚homosexuell empfindend‘ beziehungsweise wehrt sich dagegen, die sexuelle Orientierung als Kategorie der Persönlichkeit oder Identität zu betrachten.“ (S. 231f)

David Bennet teilt die Sicht der Seite B. „Gleichgeschlechtliches Verlangen wird dabei gesehen als komplexes Knäuel aus unserer sehr guten menschlichen Natur, die für intime Gemeinschaft mit anderen geschaffen ist, und unseren gefallenen Begierden, die sich aus fehlgeleiteter Anbetung und der Macht der Sünde ergeben.“ (S. 232)

Das Buch ist für Betroffene geschrieben. Und betroffen sind wir alle. Wir leben als Menschen mit unserer Sexualität zwischen Schöpfung, Sündenfall, Erlösung und Vollendung. Betroffen sind wir als Gemeindeglieder und Gemeindeleiter, Verkündiger und Seelsorger, Verheiratete und Singles, Jesus-Nachfolger und Suchende. Niemand sollte meinen, das Thema sei erledigt, weil durch staatliches Gesetz die „Ehe für alle“ beschlossene Sache sei und die Leitungen der evangelischen Kirchen in Deutschland die kirchliche Trauung und Segnung gleichgeschlechtlicher Paare beschlossen hätten.

Gerade weil die LGBTQI-Community eine starke politische Lobby hat, wird ihr Lebensstil unsere Gesellschaft prägen. Weil wir Christen aber nicht aufhören werden, dass Evangelium von Jesus Christus unter die Leute zu bringen, wird es in Zukunft mehr solche wunderbaren Erfahrungen mit Jesus geben, wie sie David Bennett in jener Kneipe in Australien machte. Menschen werden erleben, dass es nicht um rückständige Moral oder politischen Kulturkampf, sondern um eine befreiende Lebensbeziehung mit dem lebendigen Gott, unserm Vater, geht.

Dadurch entsteht eine neue Sicht auf unser Leben, unseren Körper, unsere Wünsche, unsern Besitz, unsere Beziehungen. Das wird unsere Gemeinden verändern, wenn sie kapieren, dass sie die geliebte Braut des Herrn Jesus Christus sind. Singles und Verheiratete werden in den Gemeinden gemeinsam als Familie Gottes ihre Berufung zum Dienst und zur Anbetung Gottes leben, sich gegenseitig in ihren Kämpfen stärken und in Niederlagen trösten. Sie werden gemeinsam unterwegs sein zum großen Hochzeitsfest des Herrn Jesus mit seiner Braut-Gemeinde. Er wird selbst die Tränen abwischen, Schmerz, Leid, Krankheit, Sünde und Tod werden nicht mehr sein. Die Sehnsucht nach erfüllender Intimität wird Jesus stillen, wie er es versprochen hat: „Denn in der Auferstehung werden sie weder heiraten noch sich heiraten lassen, sondern sie sind wie Engel im Himmel. Habt ihr nicht gelesen von der Auferstehung der Toten…“. (Matthäus 22,30f)

David Bennetts Buch ist eine Herausforderung und Ermutigung auch an Pfarrer, Pastoren, Seelsorger, Leiter von Gemeinschaften und Mitarbeiter, die beim Thema Liebe und Sexualität heute ängstlich schweigen, weil sie nicht ins politische und mediale Kreuzfeuer geraten möchten. Sie wollen möglichst keine schlafenden Hunde wecken. Es geht aber nicht um Hunde. Es geht um Menschen, die durch Jesus Leben, ja Leben im Überfluss haben sollen.

Ulrich Parzany

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