Zwischenbilanz – Ein Jahr Netzwerk Bibel und Bekenntnis
von Ulrich Parzany
Vor einem Jahr wurde das Netzwerk Bibel und Bekenntnis in Kassel gegründet. Das ist kein Grund zum Feiern. Wir würden es lieber als überflüssig auflösen. Warum wir es für nötig hielten, steht im Kommuniqué „Gemeinsam widerstehen und Christen in den Auseinandersetzungen um Grundfragen des christlichen Glaubens Orientierung geben“ vom 23.1.2016.
Heute, am 23.1.2017, hat das Netzwerk 1 127 Mitglieder. Dazu kommen mehr als 600 Empfänger unseres Newsletters. Allen sei für ihre Beteiligung herzlich gedankt.
Haben wir etwas erreicht?
Wir hatten die zuständigen Gremien des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes und der Deutschen Evangelischen Allianz aufgefordert, zu Irritationen klärend Stellung zu beziehen und um gemeinsame Gespräche gebeten. Sehr schnell wurde dem entsprochen. Es gab einige erfreuliche Klärungen. Die Gnadauer Mitgliederversammlung beschloss am 19.2.2016 eine klare Position bezüglich gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, ließ aber im Blick auf die Schriftauslegung einiges offen: „Gleichwohl gibt es einige unter uns, die an dieser Stelle eine andere exegetische Einsicht haben oder die aus dem gleichen exegetischen Befund andere Schlussfolgerungen ziehen.“ Allerdings schrieben einige große Gemeinschaftsverbände nach der Mitliederversammlung an ihre Mitglieder, dass sie sich uneingeschränkt zur Autorität der Bibel als Wort Gottes bekennen.
Die Evangelische Allianz bestätigte ihre klare Position zur praktizierten Homosexualität von 2009. Der Hauptvorstand befindet sich in einem Prozess der erneuten Klärung über das Selbstverständnis der Deutschen Evangelischen Allianz. Den Vorsitz hat seit dem 1.1.2017 Pastor Ekkehard Vetter als Nachfolger von Präses Dr. Michael Diener.
Rücksichtsloser Durchmarsch der Kirchenleitungen
Im Blick auf die Landeskirchen haben wir nichts erreicht. Einige Landeskirchen haben in Sachen Segnung und Trauung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften Beschlüsse gegen Bibel und Bekenntnis gefasst. Auf die biblisch-theologisch begründeten Widersprüche nahmen sie keine Rücksicht. Die Mehrheiten erlaubten den Synoden und Kirchenleitungen diese Rücksichtslosigkeit. Die Kirchenleitungen setzen darauf, dass die widersprechenden Minderheiten ermüden und aufgeben werden. Kirchenaustritte interessieren sie nicht, weil sie finanziell ohne Bedeutung für sie sind. Theologische Auseinandersetzungen finden nicht statt. Für dieses Vorgehen können die Kirchenleitungen mit kräftiger Unterstützung der Massenmedien rechnen.
Biblische Lehre ist dringend nötig
Die Frage nach der Autorität der Bibel und ihrer Auslegung (Hermeneutik) erscheint uns in allen aktuellen Auseinandersetzungen am wichtigsten. Die Diskussion über den interreligiösen Dialog bestätigt das und zeigt zugleich, dass es um die Grundlagen des christlichen Glaubens geht, keinesfalls um Randthemen. Glauben Muslime und Christen an denselben Gott? Wer ist Jesus Christus? Ist er der einzige Weg zum Heil? Welche Bedeutung hat sein Tod am Kreuz? Wie stehen die Kirchen zu den Messianischen Juden?
Zu diesen Themen bietet unsere Internetseite Material. Wir sehen unsere Aufgabe darin, den Gemeinden Orientierung durch biblisch-theologische Lehre und Stellungnahmen zu aktuellen Entwicklungen anzubieten. Unsere Internetseite ist dabei unser wichtigstes Instrument. Wir haben sie aktuell um eine Archivfunktion erweitert, damit die Beiträge der vergangenen Monate leichter gefunden werden können.
Wir sind erfreut, dass unsere Publikation „Gottes Wort gilt – Wofür das Netzwerk Bibel und Bekenntnis eintritt“ starke Resonanz gefunden hat. In gut zwei Monaten mussten drei Auflagen gedruckt werden. Mit der gerade erscheinenden vierten Auflage erreichen wir die Zahl von 10 000 Exemplaren. Nutzen Sie die günstigen Staffelpreise, um diese Schrift zu verbreiten!
Wird die Vernetzung gelingen?
In verschiedenen Landeskirchen haben sich Initiativen gebildet, die gegen Fehlentwicklungen angehen. Im Augenblick ist noch nicht erkennbar, dass es eine wirkungsvolle Vernetzung dieser Bestrebungen geben wird. Alle sind mit der speziellen Lage in ihrem Bereich voll beschäftigt. Nutzen und Notwendigkeit eines stärkeren überregionalen Zusammenwirkens erscheint vielen Verantwortlichen noch nicht einzuleuchten. Den Kirchenleitungen wird es recht sein. Sie setzen darauf, dass der Widerstand sich von selbst erledigt. Mag sein, dass der Leidensdruck noch nicht groß genug ist.
Viele Pfarrer im aktiven Dienst stimmen zwar inhaltlich unserem Protest zu, möchten sich aber nicht öffentlich artikulieren – aus welchen Gründen auch immer. Auch lebendige Gemeinden beteiligen sich nicht an der öffentlichen Auseinandersetzung, weil sie im eigenen Bereich von den aktuellen Konflikten nicht oder noch nicht betroffen sind. Sie möchten keine schlafenden Hunde wecken. Oder sie konzentrieren sich auf ihren missionarischen Dienst und möchten ihre Kräfte nicht verzetteln. Alles verständlich. Allerdings gilt weiterhin: Wer schweigt, fördert, was im Gange ist.
Gefangen durch Philosophie und leeren Trug?
Die Mahnung des Apostel Paulus gilt auch uns heute: „Seht zu, dass euch niemand einfange durch die Philosophie und leeren Trug, gegründet auf die Lehre von Menschen und auf die Mächte und nicht auf Christus. Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig.“ (Kolosser 2,8f)
Der Vortrag von Ron Kubsch, „Sollte Gott gesagt haben? – Was steckt hinter der Bibelkritik?“ erklärt, was heute unser Denken gefangen halten will. Sehr zu empfehlen.
geschrieben am 23. Januar 2017