Kasseler Memorandum 2020 – „Stimme sein und stärken“

Die Fortsetzungsgruppe des Netzwerks hat nach der Konsultation das „Kasseler Memorandum 2020 – Stimme sein und stärken“ als Orientierung für die Weiterarbeit verabschiedet und veröffentlicht.

Hier finden Sie den vollen Text zum Download:


Das Kasseler Memorandum 2020 im Wortlaut

„Stimme sein und stärken“

Wir, die Mitglieder der Fortsetzungsgruppe des Netzwerks Bibel und Bekenntnis, haben uns mit Verantwortlichen aus bekennenden Gemeinschaften und Initiativen am 14. November 2020 in einer Online-Konferenz über Entwicklungen in evangelischen Kirchen, Freikirchen und Gemeinschaften in den vergangenen vier Jahren beraten und danach gefragt, welche Aufgaben uns der Herr Jesus Christus in dieser Zeit stellt. In diesem Memorandum fassen wir zusammen, woran wir uns selbst und alle Verantwortlichen in Kirchen und Gemeinschaften erinnern wollen.

Der Apostel Petrus spricht von Fremdlingen in der Zerstreuung. (1. Petrus 1,1) Die Christen der apostolischen Zeit waren wie Fremdkörper in der antiken Gesellschaft des römischen Reiches. Angesichts der dramatischen geschichtlichen Prozesse der letzten 250 Jahre haben wir es als Fremdlinge in der Zerstreuung mit unterschiedlichen Diasporasituationen zu tun. Da ist einmal die immer stärker werdende säkulare Gesellschaft, dann die sich an den Zeitgeist anschmiegende volkskirchliche Landschaft und schließlich die Auseinandersetzung innerhalb der evangelikalen Bewegung.

  1. Wir wollen Stimme sein und stärken.

Wir wollen Christen durch biblische Lehre in ihrem Glauben an Jesus Christus stärken. Darum nehmen wir Stellung zu kontroversen Themen und zu Vorgängen in den evangelischen Kirchen, landeskirchlichen Gemeinschaften und Freikirchen, die Bibel und Bekenntnis widersprechen.

Wir haben den Eindruck gewonnen, dass die Leitungen der evangelischen Landeskirchen mehr und mehr den Leitideen von Staat und Gesellschaft folgen. Die biblische Botschaft wird dem Zeitgeist angepasst. Das Christentum wird zur Zivilreligion, die den Zusammenhalt der Gesellschaft stärken soll. Das geschieht um den Preis, dass das Schiff der Kirche aus seiner Verankerung in Gottes Wort, der Heiligen Schrift, gelöst worden ist.

  • Glaube und Bekenntnis gehören zusammen.

Wir setzen uns dafür ein, dass das Bekenntnis zu Jesus Christus nicht als etwas Nebensächliches abgewertet wird. Jesus sagt: „Wer nun mich bekennt vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater. Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater.“ (Matthäus 10, 32f). Und Paulus schreibt: „Wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und in deinem Herzen glaubst, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet.“ (Römer 10, 9). Damit werden Glaube und Bekenntnis als heilsnotwendig definiert.

Wir verstehen „Bekenntnis“ zuerst als Einladung, dem Wort Gottes zu vertrauen und zu gehorchen. Wir können es nicht lassen, uns zu Jesus Christus zu bekennen. In diesem Sinne kämpfen wir wie der Apostel Paulus für die Jesus-Nachfolger, „damit ihre Herzen gestärkt und zusammengefügt werden in der Liebe und zu allem Reichtum an Gewissheit und Verständnis, zu erkennen das Geheimnis Gottes, das Christus ist, in welchem verborgen liegen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis.“ (Kolosser 2,2f)

  • Einheit und Bekenntnis gehören zusammen.

Das klare Bekenntnis zu Jesus Christus und die Einheit der Christen widersprechen sich nicht, sondern bilden zwei Seiten derselben Medaille. Wir setzen uns dafür ein, dass sie, wie im Neuen Testament bezeugt, untrennbar zusammengehören und nicht gegeneinander ausgespielt werden.

Wir widerstehen der falschen Vorstellung, dass wir Einheit in Vielfalt gewinnen könnten, indem wir uns vom biblisch begründeten Konsens verabschieden. Ohne gemeinsame Antworten auf die Fragen, wer Jesus Christus ist, was er getan und gelehrt hat, worin sein Erlösungswerk besteht, wird „Christus“ zur leeren Hülse, die beliebig gefüllt wird und nicht mehr verbindet. Tatsache ist: Wo wir uns von Bibel und Bekenntnis verabschieden, da geht mit der gemeinsamen Basis auch die gemeinsame Botschaft und die missionarische Dynamik verloren.

Wo nicht mehr um die theologischen Kernfragen gerungen wird, werden die Kirchen durch Polarisierungen in aktuellen politischen Fragen bestimmt. Wo in Bekenntnisfragen Grenzen eingerissen werden, werden neue moralistische und politische Trennmauern aufgerichtet.

Wir brauchen das Fundament Jesus Christus, wie die Heilige Schrift ihn bezeugt und an dem die Christen zu allen Zeiten in ihren Bekenntnissen festgehalten haben. Deshalb ist das Engagement für Bibel und Bekenntnis aktiver Einsatz für die Einheit der Kirche Jesu Christi.

  • Bekenntnis zielt auf Evangelisation.

Weil das Bekenntnis zu Jesus und seinem Wort eine evangelistische Zielrichtung hat (Römer 10,9-17), gilt es Menschen zu gewinnen. Gott „will, dass alle Menschen gerettet werden und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Denn es ist ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Christus Jesus, der sich selbst gegeben hat als Lösegeld für alle, als sein Zeugnis zur rechten Zeit.“ (1.Timotheus 2,4-6)

In der Auseinandersetzung über die biblische Wahrheit sehen wir in jedem Diskussionspartner einen von Gott geliebten Menschen, für den Jesus gestorben ist und um den er ringt. Die verfolgten Gemeinden sind uns gerade in dieser Hinsicht ein großes Vorbild. Die Liebe Jesu überwindet Gegner des Kreuzes Christi. Ihnen gilt die Einladung, an Jesus zu glauben und ihm nachzufolgen. Deshalb unterstützen wir durch das Engagement für Bibel und Bekenntnis die missionarische Dynamik der Kirche Jesu Christi.

Was ist zu tun?

  1. Wir stehen gemeinsam an der Seite von Schwestern und Brüdern, die auf Grund ihres aufrichtigen Bekenntnisses zu Jesus und seinem Wort in Kirche und Gesellschaft unter Druck geraten und angefeindet werden.
  • Wir verbinden Personen, Gemeinden, Gemeinschaften, Organisationen, Ausbildungsstätten und Initiativen, die gleiche Anliegen verfolgen, in einem Netzwerk durch Informationsaustausch und Kooperation.

  • Unsere Aktivitäten sollen geprägt sein von der Liebe zu Jesus, der Treue zur Bibel, ermutigender Glaubensfreude und Eintreten für leidenschaftliche Evangelisation. In unseren theologischen Stellungnahmen wollen wir die seelsorgerische Dimension im Blick behalten. Theologisch-dogmatische Klarheit und die Liebe zu den Menschen sollen uns gleichermaßen bestimmen.

  • Wir halten es für dringend nötig, Christen aller Altersgruppen – insbesondere aber jungen Christen – durch geeignete Materialien in der Gestaltung ihres Glaubens und  Lebens, in der Auseinandersetzung mit ihrer gesellschaftlichen Umwelt und in der Erfüllung ihres missionarischen Auftrags zu helfen. Wir wollen dafür die Zusammenarbeit mit innovativen Initiativen suchen.
  • Wir suchen den Kontakt zu Kirchen, Gemeinschaften und Initiativen in der weltweiten Christenheit, die den gekreuzigten, auferstandenen und wiederkommenden Jesus Christus als den alleinigen Retter und Herrn bezeugen und die Autorität der Bibel als Wort Gottes anerkennen. Das mutige Glaubenszeugnis der verfolgten Christen und die leidenschaftliche Evangelisation der jungen Kirchen erweitern unseren Horizont und ermutigen uns in unserem Engagement für Bibel und Bekenntnis.
  • Wir schließen keine Koalitionen mit politisch motivierten Interessengruppen. Wenn wir Stellung beziehen, geschieht dies nicht aus politischen Erwägungen, sondern aus einer biblisch begründeten Haltung.
  • Wir wollen immer wieder prüfen, wie wir diese Aufgaben in Zukunft besser erfüllen können.

Wir erinnern an die Mahnung des Apostels Paulus (Kolosser 2,8 – 10): „Seht zu, dass euch niemand einfange durch Philosophie und leeren Trug, gegründet auf die Lehre von Menschen und auf die Mächte der Welt und nicht auf Christus. Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig und an dieser Fülle habt ihr teil in ihm, der das Haupt aller Mächte und Gewalten ist.“

Die Mitglieder der Fortsetzungsgruppe des Netzwerks Bibel und Bekenntnis:

Sr. Heidi Butzkamm, Dr. Tobias Eißler, Martin P. Grünholz, Prof. Dr. Rolf Hille, Johannes Holmer, Bernd Linke, Ulrich Parzany (Vorsitzender), Ulrich Rüß, Dirk Scheuermann, Dr. Christian Schwark, Dr. Markus Till, Prof. Dr. Dr. Daniel von Wachter, Dr. Gerhard Walther

Kassel, im November 2020

Druckfassung: