Brisante Geschichte: Das Bengel-Haus wird 50
Das Albrecht-Bengel-Haus in Tübingen besteht bald 50 Jahre. Aus diesem Anlass hat Dr. Jörg Breitschwerdt, Pfarrer in Hülben, dessen Entstehungsgeschichte beschrieben.
Das Buch zeigt ausführlich die theologischen, kirchlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der Gründungsinitiative. Diese Zusammenschau ist spannend zu lesen. Die Beschreibung der Gründungsgeschichte an Hand des neu erschlossenen Archivmaterials gewährt Einblicke, die nur wenige bisher hatten, und lässt unterschiedliche und auch gegensätzliche Ansichten und Absichten der beteiligten Personen und Gruppen erkennen. Die Darstellung der Geschichte der Gründung und der Anfänge des Bengel-Hauses hilft durchaus, neuere Entwicklungen im württembergischen Pietismus besser zu verstehen.
Als Weiterführung empfehle ich dringend, Gerhard Maiers autobiographische „Streiflichter meines Lebens“, SCM Hänssler 2019 zu lesen, für unsere Thematik insbesondere das Kapitel über seine Zeit im Bengel-Haus (S. 82 ff). Bis heute brisant ist die Tatsache, dass die Theologische Fakultät der Universität Tübingen dem Rektor des Bengel-Hauses und späterem württembergischen Landesbischof Dr. Gerhard Maier die Habilitierung verweigerte, obwohl er bei ihr zuvor zum Dr. theol. promoviert worden war. Grund war sein 1974 erschienenes Buch „Das Ende der historisch-kritischen Methode“.
Der Widerspruch, den Gerhard Maier sogar bei den Professoren Otto Michel, Martin Hengel und Peter Stuhlmacher und auch im Bengel-Haus erfuhr, war heftig. Er selbst schreibt: „Die schwerste Wunde entstand bei uns im Bengel-Haus. An die zwanzig Studenten traten aus dem Haus aus, weil sie der biblisch-historischen Methode nicht folgen konnten. Martin Holland und Peter Beyerhaus stützten aber meinen Kurs ganz eindrücklich.“ „Noch bei der Bischofswahl 2001 stellten manche Synodalen die Frage, ob ich dieses Buch widerrufen würde, was ich natürlich weder konnte noch wollte. Beim heutigen Sola-Scriptura-Streit gehen meine Gedanken zurück in jene Jahre der Auseinandersetzungen, und ich denke immer noch, dass ich damals recht hatte.“ (G. Maier, S.89f)
Wir sind Dr. Gerhard Maier für seine wegweisende theologische Arbeit sehr dankbar. Seine Biblische Hermeneutik ist 1998 erschienen und erreichte 2019 ihre 14. Auflage. Dazu sind die umfangreichen Kommentare zum Matthäusevangelium, Jakobusbrief und zur Offenbarung des Johannes in der Reihe Historisch-Theologische Auslegung als überzeugende Belege für die Umsetzung der Biblischen Hermeneutik gekommen.
Ulrich Parzany
Jörg Breitschwerdt, Die Geschichte des Albrecht
Bengel-Hauses, Band 1, Die Gründung im Kontext der
theologischen und gesellschaftlichen Umbrüche Mitte der 1960er Jahre, 360
Seiten, Luther-Verlag Bielefeld 2019, 19,90 Euro
https://www.lutherverlag.de/Wissenschaft/Breitschwerdt-Bengel-Hauns::955.html
Gerhard Maier, Streiflichter meines Lebens, Ursprünglich sollte Gott gar nicht vorkommen, 264 Seiten, SCM Hänssler 2019, 17,99 Euro
https://www.scm-haenssler.de/streiflichter-meines-lebens.html
Bildrechte für das Bild vom ABH: Mit freundlicher Genehmigung des Albrecht Bengel Hauses.